Dürrenmatt und die Laubpuster


«Einer der grossen Vorteile von guten Gartengeräten ist ihr völliges Desinteresse an der Digitalisierung.»

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Jörg Pfenningschmidt aus Hamburg schreibt für das deutsche Gartenmagazin «Kraut und Rüben», ist Staudenplaner und Autor des Buches «Hier wächst nichts». Eine humorvolle Abrechnung mit dem vermeintlichen Versprechen des Pflegeleichten, der Ökowohlfühlwelt, Easy-Gardening-Ratgebern und Gartenarchitekten.


Die Schweiz hat mich als gärtnernden Hamburger dreifach geprägt: Friedrich Dürrenmatt bewegte meinen Geist, Lindt & Sprüngli formten meinen Körper und Felco 2 begleitet mich im Garten. Immer. In einem Köcher aus Leder hinten rechts am Gürtel. Ist sie nicht da, werde ich nervös und unglücklich.

Es gibt kaum etwas Konservativeres als Gartenwerkzeug. Womit arbeiteten Menschen im Schatten der Pyramiden, in mittelalterlichen Klostergärten oder in den Parks des Sonnenkönigs? Spaten, Krail, Hacke. Genau wie heute. Die Namen mögen sich ändern, das Werkzeug bleibt das gleiche. Alle Versuche, in den letzten hundert Jahren neue Gartengeräte einzuführen, sind kläglich gescheitert. Erinnern Sie sich noch an die Gartenkralle? Ein eigenartiges Gerät, mit dem durch Drehen in der Erde Unkrauthacken und Bodenlockern angeblich mühelos und ohne Schweiss gelingen sollten. Heute verstauben unnütze Gartenkrallen in den dunklen Ecken von Gerätehäuschen, denn natürlich hat dieses alberne Gerät nie funktioniert. Hätte es funktioniert, hätten die Sumerer es bereits benutzt.

Einer der grossen Vorteile von guten Gartengeräten ist ihr völliges Desinteresse an der Digitalisierung. Es gibt weder smarte Schubkarren, die schlauer sind als ich, noch Laubrechen 2.0. Keine Handschaufel hat mich bisher vor Inbetriebnahme nach dem achtstelligen Sicherheitscode gefragt oder die Zusammenarbeit verweigert, weil ein Update benötigt wurde. Und ich möchte darum bitten, dass das auch so bleibt. Gnade euch Gott, ihr schlauen IT-Spezialisten, wenn ihr auf die Idee kommen solltet, an so etwas zu basteln! Ich weiss, wo ihr wohnt und ich habe eine schwere Plattschaufel!

Was aber braucht man wirklich im Garten? Nicht viel, wie ich bei mir und all meinen gärtnernden Kollegen beobachtet habe. Man braucht: 1. Eine Schubkarre, bei der es schön wäre, wenn sie keinen platten Reifen hätte. 2. Einen Spaten. Geschärft. Ja, das geht und erleichtert die Arbeit. 3. Kleine, stabile Handschaufel und kleine Gartenhacke. Bitte in grauenhaften Leuchtfarben. Teures Kleinwerkzeug in edlem British Racing Green habe ich zu dutzenden im Laub verloren und nie wieder gefunden. 4. EINE gute, scharfe Rosenschere und eine scharfe Klappsäge, statt zehn stumpfe Billigknipser aus dem Baumarkt. 5. Eine Wiedehopfhaue. Eine Seite des Kopfes mit einer Hacke, die andere mit einer runden Schneide. Mit einer Wiedehopfhaue kann man Böden aufreissen, Wurzeln und Stromkabel durchtrennen, Uhren reparieren und viele andere tolle Dinge tun.

All diese sinnvollen, preiswerten und haltbaren Dinge werden in den Gärten meiner Nachbarschaft tunlichst gemieden. Man kauft lieber Häcksler, Puster, Hochdruckreiniger, Brenner und Motorhacken, als hätte man bis Jahresende die Alpen besenrein zu übergeben. Oft sind die Geräteschuppen dann grösser als der Garten. Und all das wegen der Zeitersparnis. Sie hätten Dürrenmatt lesen sollen, die Laubpuster dieser Welt: «Man sollte mehr Zeit in die Arbeit als Arbeit in die Zeit stecken.»

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Zwischen Schockstarre und Wertewandel