Dünger «entkriminalisieren»

Wann hat die Pflanzenernährung eigentlich ihre Unschuld verloren? Und ist derart in Verruf geraten, dass das Wort «Dünger» zum Inbegriff vielen Übels wurde, zumindest in gärtnerischer Hinsicht?

Zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen ergab die Suchfunktion auf der Website www.giardina.ch keinen einzigen Treffer für die Stichworte Dünger oder Nährstoffe. Die Veranstaltung um «Leben im Garten» klammert die Ernährung ihrer wichtigsten Protagonistinnen aus. In Bezug auf das menschliche Leben wäre eine solche Verweigerung undenkbar. Themen rund um unsere Ernährung sind über alle Kanäle und Ideologien omnipräsent. Dabei herrscht Einigkeit, dass es einen weiten Bogen von gesund bis ungesund gibt.

 
 

Auch in der Pflanzenwelt gab es ein Fastfood-Zeitalter mit allen Übertreibungen und damit einhergehenden negativen Konsequenzen. Ob Letzterer haben erstaunlich viele Menschen entschieden, die Ernährung ihrer Pflanzen komplett einzustellen. Sich selber gönnt Mann und Frau neben der «gesunden» Ernährung auch immer wieder genussreiche Eskapaden. Den Pflanzen dagegen werden solche konsequent verweigert. Das Attribut «biologisch» ist für viele Menschen gleichbedeutend mit «ohne Dünger».

Dabei wird nicht mehr zwischen Fastfood respektive Kunstdünger und Vollwertkost für Pflanzen unterschieden. Gleichzeitig wird die Pflanzenwelt mit «Functional Food» überschwemmt, zu welchem ich all die neumodischen Pflanzenstärkungsmittel mit Mikroorganismen zähle. Wie ihr Pendant bei den Lebensmitteln, die mit zusätzlichen Inhaltsstoffen angereichert werden. Ob die in der Werbung gepriesenen positiven Effekte tatsächlich eintreten, ist zuweilen kaum belastbar. Damit Nährstoffe und Hilfsstoffe nicht gegeneinander ausgespielt werden, ist es mein Anliegen, den Dünger zu «entkriminalisieren». Der sinnvollen Ernährung von Pflanzen muss ebenso viel Interesse zugestanden werden wie der menschlichen Ernährung. Nicht zuletzt darum, weil Pflanzen ein wichtiger Teil Letzterer sind.

Es muss ja nicht so weit gehen, wie bei jener Kundin, welche mir als Geheimnis für eine besonders dankbare Blütenpracht anvertraut hat, dass sie ihren Balkonpflanzen neben dem Dünger auch ab und zu ein Bier gönnt: «Was meinem Gatten wohltut, funktioniert auch für meine Pflanzen.»

 

Erwin Meier-Honegger ist Co-Geschäftsleiter der Firma Ernst Meier AG, Gärtner und setzt sich leidenschaftlich für seinen Berufsstand ein. Er ist international in zahlreichen Gremien aktiv und pflegt einen kritischen Blick auf seine Branche. In seinen Artikeln und Kommentaren nimmt er kein Blatt vor den Mund.

«Damit Nährstoffe und Hilfsstoffe nicht gegeneinander ausgespielt werden, ist es mein Anliegen, den Dünger zu «entkriminalisieren.»

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