Giessen nur ausnahmsweise

Sich ein Vorbild nehmen

Von gängigen Vorstellungen und Konventionen lässt sie sich nicht einschränken. Neugierig und wissbegie­rig ist sie den Dingen immer auf den Grund gegangen und hat dabei Wunder­bares entdeckt. Seither gärtnert sie entspannt und respektiert die Gegeben­heiten des Ortes – denn wenn sich Pflanzen anpassen können, sollten wir uns daran ein Beispiel nehmen, findet Gartendesignerin Annette Lepple.

Das Interview führte Carmen Hocker

 

In Elaine Morgans Garten im Südwesten Frankreichs schaffen Gräser und Stauden – ohne Giessen – stets neue Bilder. Annette Lepple hat diesen Garten in ihrem Buch «Geniessen statt Giessen» porträtiert.

Wer mit offenen Augen durch die Welt geht und zum Beispiel einen Blick in verlassene oder verwahrloste Gärten der Nachbarschaft wirft, kann wahre Schätze entdecken.
— Annette Lepple
 

Rasenfetischisten schnei­den in deinem Buch «Geniessen statt giessen» nicht gut ab. Du schreibst, der perfekte englische Rasen sei für manche gar Lebens­inhalt oder zumindest Statussymbol. Ein vorwiegend männliches?

Eigentlich schon, aber ich habe selbst einmal zu diesem Kreis gehört ... In meinem ersten Garten in Irland habe ich mich jahrelang abgestrampelt, um ein makelloses, mooskrautfreies Grün zu haben. Ich habe Stunden damit zugebracht, zu vertikutieren, zu düngen und zu jäten. Mein Mann war damals gedanklich schon einen Schritt weiter und meinte: «Das Moos ist doch wunderschön und weich noch dazu!»

Links: Roter Scheinsonnenhut (Echinacea purpurea) und Reitgras (Calamagrostis) blühen über viele Monate. Rechts: Oleander (Nerium oleander) dreht seine Blätter bei Hitze so, dass nur die Kante der Sonne ausgesetzt ist.

 

Was hat dich zum Sinneswandel bewogen?

Da gab es kein plötzliches Schlüsselerlebnis, es war ein Prozess. In Irland hatte mein Mann eine Tierarztpraxis, wir hatten Ferienwohnungen und Tiere auf der Weide. Genug Arbeit, sodass mir die Mühsal mit dem Rasen irgendwann über den Kopf wuchs. In meiner Freizeit sehnte ich mich nach Ruhe und Entspannung. Und jetzt in Südfrankreich wäre es ohnehin ein Frevel an der Natur, nach einem englischen Rasen zu streben.

Offenbar wünschen sich viele Menschen eine ruhige grüne, auch begehbare Fläche im Garten. Welche Pflanzen eignen sich dafür?

Eine unkomplizierte, pflegeleichte Alternative ist ein sogenannter Kräuter- oder Blumenrasen. Er ist nicht so hoch wie eine Blumenwiese und kann mehrmals im Jahr relativ kurz gemäht werden, sodass man auf ihm spielen und liegen kann. Niedrig wachsende Wildkräuter wie Gänseblümchen, Braunelle und Günsel bieten Insekten Nahrung. Ein Anteil an trockenheitsverträglichen Gräsern sorgt dafür, dass der Rasen relativ lange grün bleibt, auch wenn es längere Zeit nicht regnet. Und er treibt schnell wieder frisch aus, sobald Regen kommt.

Eine dichte Bepflanzung reduziert die Verdunstung und die Notwendigkeit zum Jäten.

 

Du kannst aus langjähriger Erfahrung als Gartendesignerin schöpfen. Wie begeistert man Liebhaber «pflegeleichter» Gartenwüsten für eine abwechslungsreiche Bepflanzung mit Stauden? 

Einfacher ist es, wenn jemand grundsätzlich eine Liebe zur Natur hat. Dann lässt sich leichter vermitteln, wie viel lebendiger auch ein artenreicher Garten ist. Welche spannende Dynamik im Jahresverlauf entsteht, mit verschiedenen Blütehöhepunkten und interessanten Strukturen dank filigraner Samenstände im Winter.

Du hast an drei ganz verschiedenen Orten einen Garten angelegt. Wie hat sich dadurch dein Verhältnis zum Wasser verändert? 

Ich schätze es mehr als früher in Irland, als es genug davon gab. Im Wallis konnten wir – als wir noch Nutztiere hatten – Wasser aus den Suonen, den dortigen Kanälen, verwenden. In Südfrankreich sammle ich nun so viel Regenwasser wie nur möglich, ich mulche und achte auf eine möglichst geschlossene Pflanzendecke.


Wie darf man sich das vorstellen?

Unsere Beete sind dicht bepflanzt, ohne offene Bodenflächen. Das Gute ist, dass ich so fast keine Beikräuter zu jäten habe. Auch die Vertikalen sind so dicht bewachsen, dass unsere Hauswand einem Dschungel gleicht – mit starkwüchsigen Ramblerrosen, Clematis und Passionsblumen. In den Ritzen und Fugen der alten Steinmauer leben Fledermäuse, Vögel und Eidechsen.

Trockenheitsverträgliche Stauden und kugelig geschnittene Sträucher im Garten der Buchautorin Annette Lepple.


An einer Stelle im Buch sprichst du von kopflosem versus bewusstem Experimentieren. Was verstehst du darunter?

Kopflos ist, wenn ich einen Spontankauf mache, ohne zu überlegen, ob ich der Pflanze in meinem Garten auch den passenden Standort bieten kann. Davor ist wohl keine Gärtnerin gefeit. Auch ich könnte nicht mehr benennen, wie viele Pflanzenleichen ich deshalb verschuldet habe … Anders ist es mit dem bewussten Experiment. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht und zum Beispiel einen Blick in verlassene oder verwahrloste Gärten der Nachbarschaft wirft, kann wahre Schätze entdecken. Wenn sich eine Pflanze ohne Zutun etablieren kann, zählt sie sicher zu den robusteren, die auch im eigenen Garten nicht viel Aufmerksamkeit benötigen.

 

Die Fortsetzung des Interviews findest Du in der Juli/August-Ausgabe 2022.

 
 

Annette Lepple …

… studierte Gartendesign in London und arbeitet als Gestalterin, Fotografin, Journalistin und Buchautorin. Ihren ersten Garten schuf sie in Irland. Heute lebt und arbeitet sie im Wallis und südlich des französischen Zentralmassivs, wo sie wiederum Gärten angelegt hat. Ihre Reportagen erscheinen in internationalen Magazinen, ihre Fotos wurden mehrfach ausgezeichnet; 2015 mit dem European Garden Photography Award.

 
 
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